Vollständige Version anzeigen : Dieter Hildebrandt
Einer der ganz Großen seiner Zunft ist letzte Nacht gestorben.
Er hat mich seit meiner Kindheit "begleitet", angefangen mit der Münchner Lach- und Schießgesellschaft über Scheibenwischer bis zu Solo-Liveauftritten.
Februar 2014 wäre er hier im Umkreis aufgetreten, ich habe schon die Karten dafür und hatte gehofft, ihn noch mal zu erleben. Leider hat seine schwere Erkrankung nicht mitgespielt.
Er hinterlässt auf der Kabarettszene eine riesige Lücke.
Irrlicht
20.11.2013, 16:38
Oh :(
Langsam gehen sie alle weg, die ganz Großen :(
Gute Reise, Herr Hildebrandt.
Crunchy Frog
20.11.2013, 17:14
...sitzt er mit Strauß und Wehner auf ´nen Bier irgendwo auf einer Wolke. -
Grandios fand ich seinerzeit seinen Sketch über den "Rain-Main-Donau-Kanal", wo er den Vorschlag unterbreitete, doch einfach die gesamte Republik mal um 90° nach "links" zu drehen :) ! Berlin wäre dann immer noch eine Insel gewesen - diesmal aber in der Nordsee; die Alpen wären ein natürlicher Verteidigungswall gegen den Warschauer Pakt geworden - und unsere giftigen Abwasser wären anstatt in "unsere" Meere einfach nach Holland geflossen.
einfach mal anklicken <-------------- (http://www.youtube.com/watch?v=MosvwkOelcs)
Explizit diese Sendung wurde in Bayern zensiert - und da damals der überregionale Empfang noch nicht Usus war, blieb sie uns vorbehalten.
Crunchy Frog
21.11.2013, 05:16
Das war seinerzeit die Lachnummer !!! Bemerkenswert war ja vor allem, dass Hildebrandt die Reaktion des BR vorausgesehen hat und noch während der Sendung darüber gewitzelt hat (...die "Anrufe" seiner ominösen Sekretärin bei der bayrischen Staatskanzlei). Und genau die Namen die er genannt hatte übten dann Druck auf den BR aus und beendeten damit ein für allemal die Mähr vom "unabhängigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Des weiteren hat er ja während der gesamten Sendung niemals behauptet das irgendwer bestimmtes mit Schmiergeldzahlungen zu tun gehabt hätte. Da waren ja immer nur diese gestellten Anrufe bei den bekannten Politikern ("...wir wollten nur rasch mitteilen das der Scheck unterwegs ist...").
Mit Hildebrandt wird nun das politische Kabarett in seiner klassischen Form zu Ende gehen. Sein großes Vorbild - Wolfgang Neuss - hat es ja schon vorausgesagt. Heute werden wir nicht mehr "informiert" sondern lediglich mit (häufig!) sehr flachen Comedy-Sketchen vollgemüllt.
Seufz ! Daran kann ich wohl erkennen das ich langsam alt werde - die Helden meiner Jugend werden immer häufiger zu Grabe getragen... :(
Alles zu seiner Zeit halt.
Das politische Kabarett gäbe es ohne Hildebrandt nicht. Was mich an ihm gestört hat, war die Tatsache, dass er sich als bekennender Sozi auf die politischen Gegner eingeschossen hat. Doch auch er konnte 17 Jahre Kohl nicht verhindern. :D
Ich kann mich noch an die legendäre Zeit mit Klaus Havenstein und Sammy Drechsel erinnern. Schwarzweiss natürlich. Vom Feinsten.
Michelino
21.11.2013, 10:44
Alles zu seiner Zeit halt.
Das politische Kabarett gäbe es ohne Hildebrandt nicht. Was mich an ihm gestört hat, war die Tatsache, dass er sich als bekennender Sozi auf die politischen Gegner eingeschossen hat. Doch auch er konnte 17 Jahre Kohl nicht verhindern. :D
Ich kann mich noch an die legendäre Zeit mit Klaus Havenstein und Sammy Drechsel erinnern. Schwarzweiss natürlich. Vom Feinsten.
Gute Kabarettisten wachsen an schwachen oder angreifbaren Politikern, ob dies die Spezlwirtschaft in seiner bayerischen Wahlheimat war, die er - wie schon an einem Beispiel aufgezeigt - in den Lachsack geschickt hat oder -
Helmut Kohl. Ich erinnere mich an seine Kohl-Persiflage mit zu Text "Der Mond ist aufgegangen".
Und der "bekennende Sozi" ist, wenn er es für richtig hielt, auch auf die Sozis losgegangen.
pinkydiver
21.11.2013, 12:02
Alles zu seiner Zeit halt.
... Was mich an ihm gestört hat, war die Tatsache, dass er sich als bekennender Sozi auf die politischen Gegner eingeschossen hat. .
Ich hätte ihm damals gerne gesagt: "Wenn hier alles so scheisse ist, siedel doch in die SBZ zu den echten Sozis über, dort hätte er aber wahrscheinlich die Zeit bis zur Wende im Bau verbracht
Michelino
21.11.2013, 15:18
Ich hätte ihm damals gerne gesagt: "Wenn hier alles so scheisse ist, siedel doch in die SBZ zu den echten Sozis über, dort hätte er aber wahrscheinlich die Zeit bis zur Wende im Bau verbracht
Mehr Unfug zum Tod von Dieter Hildebrandt zu schreiben geht gar wahrscheinlich kaum mehr. Wann je soll er den Staatssozialismus der DDR für gut gefunden haben? Hat er das Thema überhaupt je behandelt? Hildebrandt hatte genug Pointen aus Bayern und der restlichen Bundespolitik.
Anders wie die meisten heutigen Klamauk-Komödianten setzte er feine Spitzen, die weniger brachial und dafür um so treffender waren. Strauß, der alte Politgauner, hat ihn in Rage einen Brunnenvergifter genannt, als er sich wohl besonders gut getroffen wähnte.
Aber auch Sozis ließ Hildebrandt über die Klinge springen:
Ludwig XIV., König von Frankreich: "Ich bin der Staat"
Friedrich der Große, König von Preußen: "Ich bin der erste Diener des Staates"
Herbert Wehner, Altkommunist und langjähriger Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag: "Mit mir ist kein Staat zu machen."
pinkydiver
21.11.2013, 17:05
@Michelino
ich habe nicht gesagt, daß DH den Staats-Sozialismus für gut befunden hat, er hat aber zu weiten Rundumschlägen gegenüber der West-Deutschen Politik ausgeholt (wie Du sagtest nicht nur Bayern sondern auch gegen den rest der Republik) , was ich oft als jenseits des guten Geschmacks und jenseits dessen, was man im Rahmen von Satire und Comedy ertragen muß, empfunden habe.
Nicht grundlos wurde seine Sendungen mehrfach vom BR zensiert, .. und bevor hier wieder Mißverständnisse auftreten, ich finde Zensur von Beiträgen die rein rechtlich OK sind wirklich nicht gut.
Mit Hildebrandt wird nun das politische Kabarett in seiner klassischen Form zu Ende gehen. nö! das sehe ich nicht. Natürlich kann sich auch dieses Kunstgenre nicht völlig den sich permanent verändernden Seh-, Hör- und Kommunikationsgewohnheiten verschließen.
Es wird keinen zweiten Hildebrand geben, und das ist ja auch gut so.
Aber als würdige "Weitermacher" fallen mir durchaus einige ein:
Urban Priol
Georg Schramm
Hagen Rether
Volker Pispers,
Pelzig (teilweise)
Frank Lüdecke (als ich den das erste mal sah/hörte dachte ich es ist ein Sohn vom Hildebrand)
Richard Rogler
Insgesamt gesehen ist politisches Kabarett zu machen aber auch schwieriger geworden; das liegt daran, dass vieles was in der Politik läuft schon als Lachnummer angesehen werden kann. Aber "lachen machen" ist ja nur ein Aspekt; wichtiger ist das Aufdecken, Zuspitzen und Nachdenken.
Seufz ! Daran kann ich wohl erkennen das ich langsam alt werde - die Helden meiner Jugend werden immer häufiger zu Grabe getragen... :(jaja Fröschle: Jesus ist gekreuzigt, Marx ist tot und ich fühl mich auch schon ganz elend!:D
(btw. Fröschle: auch wenns eine andere Sparte betrifft: Monty Python bereiten ihr Comeback vor...ist das nicht tröstlich;) )
Es ist übrigens nicht richtig, dass Hildebrand immer nur auf die CDU und ihre Protagonisten "geschossen" hat. Diese etwas einseitige Sichtweise ist wohl in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass nun mal die SPD seltener an der Regierung war und es immer einfacher ist auf diese zu reagieren als auf die Opposition.
Aber auch SPD, Grüne und "Die Linke" bekamen -richtigerweise- immer ihr Fett weg, wenn sie es verdient hatten.
Hinzu kommt, dass Politiker nicht ausschließlich Zielscheibe bei der Anprangerung gesellschaftlicher Mißstände sind. Menschen mit Standesdünkel, Wirtschaftsbosse, Glaubensvertreter, Gewerkschafter, Sportler, Journalisten uswusw. sind ja ebenfalls mehr oder weniger geschickte Gestalter gesellschaftlicher Zustände.
Hildebrandt war meiner Meinung nach nie neutral. Er war ein politisch motivierter Mensch, der im Deckmantel des Kabarettismus Stimmung gemacht hat. Die spitze Zunge und die feine Rhetorik zeichnen ihn nicht nur aus, sondern werfen auch ein Licht. Er war stes ein treuer Wahlhelfer der Sozis.
Gleichwohl ist die Welt des Kabarettismus nicht ärmer geworden, denn da war der Gottvater der Branche längst out. Maxx hat die Nachfolger schon richtig benannt. Gut, dass Nachfolger nicht immer Nachahmer sein müssen.
Michelino
22.11.2013, 10:18
Da stimme ich dir absolut zu, Walter -
allerdings mit dem Zusatz: Ein Kabarettist wird nie neutral sein können - sonst wäre er einfach nur langweilig.
Wenn man bedenkt was die Verantwortlichen in den Sendern früher für einen Aufstand gemacht haben wenn seine Sendung lief.ich glaube der BR hatte seinerzeit sogar ein seinem Sendegebiet die Ausstrahlung einiger Sendungen verhindert da hat sich doch einiges getan.
Das echte politische Kabarett ist eh vorbei inzwischen ist alles ein wenig SPD oder CDU man kann dort kaum noch Unterschiede bestellen.
Ein Kabarettist wird nie neutral sein können - sonst wäre er einfach nur langweilig.er wäre -so jedenfalls meine Sichtweise- nicht langweilig, sondern gar kein politischer (!) Kabarettist.
Kabarettisten müssen Partei ergreifen weil sonst ihr Ansinnen Mißstände und deren Urheber aufzuzeigen nicht erfüllbar ist.
Es ist ja charakteristisch, dass unter totalitären Regierungen politisches Kabarett über kurz oder lang immer verboten wurde, oder instrumentalisiert im Sinne der Herrschenden.
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