Thema: Girls
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Alt 21.07.2015, 06:22
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wate wate ist offline
Mensch
 
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Du liegst falsch mit Deiner Annahme, dass ich diese Diskussion eröffnet hätte, um alte Rechnungen zu begleichen. Sorry, wenn ich das als "labern" bezeichnet habe, weil eine solche Unterstellung uns hier genauso wenig weiterbringt, wie die Beschwörung "Hört auf zu quatschen, geht raus Minigolf spielen!" Diese Durchhalteparolen sind durchaus ehrenhafter Natur, doch dadurch könnten wir den Exitus unseres Minigolfsports nicht verhindern, höchstens etwas vezögern.

Dass es in der Zeit, als Minigolfplätze wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, Leute gab, die gemeint haben, man müsse aus dem Freizeitspaß einen Hochleistungssport machen, kann ich nachvollziehen. Es gab genügend Vereine und vor allem eine Aufbruchstimmung. Wir sind dann auf dieser Welle jahrelang geritten, der Amtsvorgänger unseres jetzigen Präsidenten kam auf die glorreiche Idee, eine "Championsleague" einzurichten. Das fand damals aus dem Kreise der Beteiligten genügend Klatscher, war aber aus meiner Sicht der 1. Sargnagel unseres Sports.

Abgesehen davon, dass sich diese CL als Rohrkrepierer erwies, auch weil sie nicht, wie erhofft, die Sponsoren ins Boot geholt hatte, war diese Maßnahme der Beginn einer Zweiklassengesellschaft im Minigolfsport.

Die geistigen Überflieger von damals haben sich von der Basis verabschiedet.

Noch heute hört man in Gesprächen den Neid auf die Bundesliga heraus. Das Interesse an einem Landesligaspiel in Nordrhein Westfalen ist im Internet größer als das Interesse an einem Bundesligaspieltag.

Nur mal am Rande.

Im Weiterstreben nach dem Hochleistungssport ist es unserem jetzigen Präsidenten zu verdanken, dass er den Minigolfsport in der Sportlandschaft hervorragend platziert hat.

Punkt.

Wir haben in der damaligen Aufbruchstimmung nicht daran gedacht, dass sich das Freizeitverhalten einmal ändern könnte. Wir waren ja jetzt die große Sportart - also mußten die Leute zwangsläufig zu uns kommen.

Dachten viele.

Doch schon damals mußten sich Kinder auf dem Schulhof teilweise schämen, wenn sie nach ihrem Hobby gefragt wurden.

Erklkärungsnot ...

Auch das haben wir fleißig weggebetet, weil mit einem gesunden Selbstbewusstsein kann man Minigolf auch als Sport verkaufen.

Mir ging das übrigens selbst so.

Warum ich den Schulhof ins Spiel bringe? Hier spiegelt sich das große Problem wider, das der Minigolfsport hat: Einerseits feiern wir Welt- und Europameister, andererseits lächeln noch heute Pressevertreter, wenn sie zu einer Minigolfveranstaltung erscheinen.

Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist auch heute noch eine völlig andere als unsere.

Wir haben in dieser Zeit der Verblendung die Augen zugelassen, als die ersten Signale kamen, und wir haben auch nicht registrieren wollen, als die Einschläge immer heftiger wurden. Vereinsauflösungen, Mitgliederrückgänge, Unzufriedenheit bei vielen Spielern, z.B. wenn es um den erzwungenen Kombispielbetrieb ging. Ich kann mich noch gut an die Diskussionen im Seniorenbereich erinnern, als viele Senioren eigentlich eine ruhige Kugel schieben wollten und sich plötzlich damit konfrontiert sahen, einen größeren Aufwand zu betreiben.

Minigolf ist nach wie vor ein tolles Freizeitvergnügen, wird gerne zu Kindergeburtstagen und Familienfeiern genutzt. Auch das abendliche Abhängen von jungen Leuten in launiger Runde ist nach wie vor "in". Dass es Spieler gibt, die das wesentlich besser können, fasziniert ebenfalls ... "ja, Ihr habt ja auch so viele Bälle!"

Kommt Euch das bekannt vor?

Ich mache jetzt mal einen weiten Gedankensprung. Jetzt träumen wir von einer Olympiateilnahme 2024.

Böse Frage: Wie viele Mitglieder haben wir dann überhaupt noch?

Noch bösere Frage: Trifft sich bei Olympia nicht die "Jugend des Sports" ... Unser Sport ist heute schon Senioren lastig, in 9 Jahren sind wir eine Rentnerband.

So schön wie das ist, wenn man solche heeren Ziele hat, darf man doch den Blick auf die Realitäten nicht verlieren. Der Mitgliederschwund hat drastische Formen angenommen, und da auch die Freaks, also die, die diesen Zirkus heute noch mit Begeisterung mitmachen, ins Alter kommen, ist doch absehbar, was passieren wird.

Noch eine letzte Bemerkung zum Posting von Brandi, der auf den Vergleich mit Darts eingegangen ist. Ich bin begeisterter TV-Darts-Fan und total fasziniert, mit welcher Präzision dort getroffen wird. Wenn ich mir die Leute allerdings betrachte, die mit ihren fetten Bäuchen und aufgeschwemmten Gesichtern auf der Bühne stehen, frage ich mich schon: Was hat das mit Sport zu tun? Warum ich trotzdem zuschaue? Weil mich die Begeisterung in der Halle anmacht.

Und nun stellt Euch bitte mal vor, 5000 Leute würden gröhlen, wenn Walter Erlbruch zum entscheidenden Schlag ausholt.

Beim Darts steht der Event im Vordergrund, und das ist auch der Grund, warum Sport1 und Eurosport eingestiegen sind. An vollen Hallen und dieser Begeisterung kann man auf Dauer nicht vorbeigehen.

Mein Fazit - und ich entschuldige mich ausdrücklich für diesen langen Aufsatz: Minigolf kann als Vereinssport die Wende schaffen und überleben, wenn man sich vor Augen führt, warum Minigolf in den 60ern und 70ern geboomt hat und was den Reiz dieses Spiels für die Nichtprofis ausmacht.

Danke für die Geduld.
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